Die Kastanien aus dem Bergell

Die letzten Tage standen für mich ganz im Zeichen der Kastanie. Vielleicht nicht gerade die optimale Zeit, um sich mit dieser Frucht zu befassen, doch mit der Luzerner Kunst & Vermittlungs-Studentin Regula Danuser reiste ich ins Bergell, um Einheimische zur feinen Frucht mit der Videokamera zu interviewen. Im Juni will Regula ein Videoessay zur Kastanie als Bachelor-Arbeit vorlegen.

Am Sonntagnachmittag kommen wir also im Bergell an, wo wir zuerst Soglio (erstes Filmstill oben links) besuchen, um einige Videoaufnahmen des Dorfes zu machen solange das Licht noch gut ist. Besonders auffallend ist die Ruhe im Tal. Vogelgezwitscher und von Zeit zu Zeit die Kirchturmglocken, aber sonst ist im verschlafenen Dörfchen nicht viel zu hören. Auch die geplasterten Strassen sind ziemlich verlassen. Die Aufnahmen haben wir schnell im Kasten und wir fahren weiter nach Castasegna, wo wir in der Villa Garbald (früher Wohnsitz des Fotografen Andrea Garbald, heute alpines Seminarzentrum) unsere Unterkunft haben. Polaroid 4 zeigt die Bibliothek der Villa.

In den nächsten drei Tagen machen wir Naturaufnahmen, hauptsächlich natürlich vom riesengrossen Kastanienwald, der zu dieser Jahreszeit verlassen und traurig ausschaut. Besondere Stimmungen finden wir teilweise vor (Polaroid 2 und 3). Weitere Bilder machen wir von sogenannten „Cascine“ (Polaroid 1). Dort werden im Herbst die Kastanien gedörrt.

Im Mittelpunkt der Arbeit stehen aber die Interviews mit den Einheimischen aus Castasegna, Soglio und Bondo. Im Bergell kennen sich alle. Der Bäcker den Müller, der Grenzwächter den Wirten, der Pöstler den Lehrer, … Menschen mit spannenden Geschichten leben da im Tal. Das Ehepaar Picenoni (Filmstill unten links) erzählt aus der Kindheit. Marco Giovanoli (links zweites von oben) ist mit Herz und Seele Kastanienbauer. Während er frühstückt spricht er von der Arbeit im Kastanienwald. Die Kulturbeautragte im Bergell, Romana Walther (links zweites von unten), will die verschlafenen Dörfchen mit Leben füllen.

Wir treffen noch viele weitere Personen. Alberto aus dem Café Salis in Castasegna zum Beispiel. Er zeigt uns spätnachts die Hirsche und Rehböcke im Kastanienwald. Zudem führt er uns zu Renzo Maroli, ein 80-jähriger Einsiedler, der hoch oben in den Bergen oberhalb Castasegnas noch wie vor hundert Jahren lebt. Ohne fliessendes Wasser, ohne Strom. Lebensfroh haltet er mit uns draussen vor seinem Stall ein Schwätzchen, während es zu Schneeregnen beginnt. Den schweren geflochtenen Korb behält er dabei auf seinem Rücken.

Dokumentarisch haben wir die Geschichten aus dem Leben der Bergeller auf MiniDV gebannt. Dabei haben wir auf aufwändiges Licht- und Tonequipment verzichtet, um möglichst authentisch zu sein. Auf das Videoessay bin ich bereits jetzt gespannt.